Die zweite Sitzung im Juni fand am 21. Juni statt. In ihr wurde sich mit dem 8. Juli und der GESA beschäftigt. Die geplante Behandlung der Erkenntnisse der SOKO Schwarzer Block konnte aus Zeitgründen nicht mehr stattfinden.

Für einen detaillierten Blick auf die Äußerungen sei auf das Wortprotokoll verwiesen. Dieser Bericht schildert meine Eindrücke und beschränkt sich auf einige Kernelemente und Schlussfolgerungen meinerseits.

Tagesordnung Wortprotokoll der Bürgerschaft

Behandlung von Journalist*innen

Zu Beginn ging es abschließend um den Umgang mit Journalist*innen am 7. Juli. Das Dezernat für Interne Ermittlungen (DIE) kennt zehn Vorwürfe, wovon 2 in strafrechtliche Ermittlungen mündeten und 8 sogenannte Prüfsachverhalte waren. Eines der beiden Strafverfahren wurde mangels konkreter Erkenntnisse eingestellt. Allgemein sei es ein Problem Personen als Journalist\innen zu erkennen in der jeweiligen Situation. Bei den Ermittlungen sei es auch nicht einfach die betroffenen Journalist*innen konkret herauszufinden.

Es fand ein Treffen zwischen dem Polizeipräsidium und dem deutschen Journalistenverband statt. Dabei wurden Kritik ausgetauscht und die an die Einsatzkräfte gehenden Infos vorgestellt. Außerdem wurde das Akkreditierungsverfahren angepasst. Jegliche Kritik sollte gemeldet werden, damit es an das DIE weitergegeben werden könne.

Journalist*innen seien nicht das Ziel von polizeilichen Maßnahmen gewesen, aufgrund der Nähe zum Geschehen seien sie aber teilweise mitbetroffen gewesen.

Ereignisse am 8. Juli

Großdemo am 8. Juli

Der Senat habe die Großdemo im Vorfed als potentiell gewalttätig eingestuft. Dies basierte u.a. auf der mangelnden Bereitschaft der Anmelder*innen sich von militanten Gruppen zu distanzieren. Im Nachhinein seien alle froh gewesen, dass es nicht zur möglichen Gewalt gekommen ist. Nach Einschätzung des Senates und der Polizei war die Stimmung zugunsten von Gewalt nach den Ereignissen des Freitagabends deutlich geringer. Die Position des “schwarzen Blocks” innerhalb der Demonstration (hinten) habe ebenfalls zum friedlichen Verlauf beigetragen, da diese Gruppe somit nicht prägend auftreten konnte.

Die Aufstellung der Demonstration fand auf dem Deichtorplatz statt. Von dort ging die Route über die Ost-West-Straße zur Reeperbahn. Dann machte sie eine kleine Runde und endete auf dem Millerntorplatz. Der Beginn der Veranstaltung war um 10:49 und die Spitze setzte sich um 13 Uhr in Bewegung. Der letzte Rest der Demo verließ den Deichtorplatz über eine Stunde später.

In der Demo sei hauptsächlich bürgerliches Klientel festgestellt worden. Allerdings auch eine kurdische Gruppe. Einmal musste die Demo angehalten werden, da verbotene Symbole gezeigt wurden. Dies lies sich aber schnell lösen und die Demo konnte weiterziehen. In der Demo wurden 4.500 Menschen als gewalttätig eingestuft. Es gab drei Blöcke mit diesen Personen, die aber allesamt nicht prägend waren. Auf der Höhe dieser Blöcke lief beidseitig Polizei mit, um eine Eskalation verhindern zu können. Aus diesen Blöcken wurde im Einzelfall Pyrotechnik gezündet. Es wurde aber nicht gegen den gesamten Aufzug wegen dieser einzelnen Handlungen vorgegangen.

Der Einsatzabschnitt Eingreifkräfte war zur Sicherheit an den wichtigen Kreuzungen positioniert, um im entsprechenden Fall schnell eingreifen zu können. Die Notwendigkeit hat sich allerdings für die Dauer der Demo nicht ergeben.

Gegen eine Gruppe von 150 Personen, welche Sachbeschädigungen im Umfeld der Demo vornahm, wurde vorgegangen. Nachdem die Polizei attackiert wurde, habe sie Schlagstöcke und Wasserwerfer eingesetzt. Es habe keine Solidarität mit den gewaltätigen Personen gegeben, sodass es insgesamt nicht zu einer Eskalation kam. Gegen Ende der Demo sei nochmals ein Einsatz von Schlagstöcken und Wasserwerfern notwendig geworden, nachdem die Polizei beim Versuch einer Festnahme bedrängt wurde.

Nach Erkenntnissen des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) war eine Gruppe Italiener*innen insbesondere als gefährlich einzustufen. Die Polizei habe daher besonderes Augenmerk darauf gelenkt. Der Vorwurf des Racial Profiling wurde schärfstens zurückgewiesen und betont, es sei nur verhaltensbasiert kontrolliert worden. Nach meinem Verständnis war die gemeinte Aussage der Polizei, dass sie bei italienisch aussehenden Personen insbesondere auf verdächtiges Verhalten geachtet hat. Die Kontrolle wäre dann immer noch alleine basierend auf dem Verhalten geschehen, aber die bei der Beobachtung des Verhaltens wäre fokussierend gewesen.

Eine EU-Parlamentarierin wurde in Gewahrsam genommen. Da die Identitätsfeststellung und Prüfung ihrer Immunität nicht vor Ort finalisiert werden konnte und einige weitere Personen in Gewahrsam auf Toilette mussten, ist die Polizei dann zur GESA gefahren, wo die Identität der Parlamentarierin geklärt und sie schließlich freigelassen wurde.

Räumung Schanzenviertel

Am Abend des 8. Juli wurde das Schanzenviertel geräumt. Dabei ist nichts dramatisches passiert. Eine Beweis- und Festnahmeeinheit aus Bayern hielt das Centro Sociale für die Koordinierungsstelle der militanten Gruppen. Nach Konsultierung von ortskundigen Personen hat der Führungsstab der Polizei jedoch keine Maßnahmen ergriffen, da die Einschätzung der bayrischen Einheit sehr wahrscheinlich nicht der Realität entspreche.

Spezialkräfte wurden auf Reserve vorgehalten, damit im Fall der Fälle nicht noch einmal so lange wie am Freitag gewartet werden müsste. Allerdings wurden sie nicht benötigt und auch nicht verwendet.

Gerichtsurteile

Es sind einige Gerichtsurteile mit klaren Worten gegen die Polizei ergangen. Da diese aber noch nicht rechtskräftig seien und eine schriftliche Begründung noch nicht vorliege, könne sich die Polizei dazu nicht äußern.

Gefangenensammelstelle (GESA)

Vorbereitung

Da mit Ausschreitungen zu rechnen war, würden Ingewahrsamnahmen und Festnahmen in größerem Ausmaß nötig werden. Dafür sei ein Gebäude mit entsprechenden Dimensionen nötig gewesen, dass es aber in der Form nicht gegeben habe. Zur Recherche habe man nach Bayern geschaut, wo in Elmau der G7-Gipfel stattfand. Aufgrund des höheren Bedarfs habe man aber die dortige Installation einer GESA nicht ohne Änderung übernehmen können. Desweiteren sei ein hoher rechtsstaatlicher Standard nötig gewesen. Dies erforderte demnach genug Räume für Anwalt-Mandanten-Gespräche, medizinische Versorgung und Ernährung. Die GESA bot schließlich 400 Plätze, aufgeteilt in 250 für Ingewahrsamnahmen und 150 für Festnahmen. Es gab 50 Einzelzellen für Festnahmen. Es mussten 117 Container extra hergestellt werden, die übrigen wurden von einer ausrangierten Unterkunft für Geflüchtete übernommen. Die Kosten beliefen sich auf rund 5 Millionen Euro.

Der Innen- und Justizausschuss konnte sich die GESA im Vorwege des G20-Gipfels anschauen. Die nationale Stelle zur Verhütung von Folter hat sich ebenfalls die GESA im Vorwege angesehen und drei Mal während des Betriebes. Laut Gesetz sind 3,80 Euro pro Mahlzeit pro Person vorgesehen. Stattdessen habe man einen höheren Standard geschaffen, sodass alle gefangenen Personen die gleichen warmen Mahlzeiten erhielten wie die Polizei- und Justizbeamt*innen.

Insgesamt waren 1700 Kräfte aus anderen Bundesländern im Einsatz. Sie wurden teils mehrfach geschult und auf die Hamburger Besonderheiten hingewiesen. Es waren 600 Kriminalbeamt*innen im Einsatz, wovon über 380 für die Organisation zuständig waren. Zur Dokumentation wurde ein elektronisches Verwahrbuch verwendet. Für den Umgang mit der Software wurden 180 Beamt*innen der Kriminalpolizei geschult.

Es waren nie mehr als 172 Menschen gleichzeitig in der GESA untergebracht. Insgesamt wurden 424 Personen in der GESA festgehalten, davon 196 Festnahmen und 228 Ingewahrsamnahmen. Eine rettungsdienstliche Erstbetreuung und später auch Unfallchirurg*innen waren vor Ort. Ebenso waren Rechtsmediziner*innen anwesend. Es gab zwei ärztliche Räumlichkeiten und insgesamt wurden 204 medizinische Maßnahmen durchgeführt an 112 Personen. Die durchschnittliche Dauer bis zur ersten Versorgung mit Getränken belief sich auf 3 Stunden und 16 Minuten.

Zu Beginn gab es vier Rechtsanwalts-Container, später dann 9 Container. Außerdem gab es sechs Telefonplätze, an denen die Nummer des anwaltlichen Notdienstes und die relevanten Auszüge der Gelben Seiten auslagen. Es gab 495 Rechtsanwaltskontakte und die entsprechende Kontaktaufnahme fand durchschnittlich vier Stunden nach Ankunft in der GESA statt.

Probleme bei Durchführung

Es ist aber auch zu einigen Problemen gekommen. Die für die Dokumentation angedachten Handscanner, mit denen die Barcodes gescannt werden sollten, um dann Vorgänge im elektronischen Verwahrbuch zu dokumentieren, funktionierten irgendwann nicht mehr. Die alternativ verwendeten Handzettel wurden nicht ordentlich geführt. Es stellte sich dadurch heraus, dass die Software für den polizeilichen Alltag geeignet sei, nicht aber für Großlagen wie die GESA. Ein Datenexport sei ebenfalls nicht möglich.

Rund zwei Drittel aller Durchsuchungen beinhalteten völlige Entkleidungen. Dies sei erheblich zu hoch gewesen und im Einzelfall nicht zu rechtfertigen. Die Dokumentation sei ebenfalls vernachlässigt worden, sodass sprachliche Ungenauigkeiten vorgekommen seien. Beispielsweise sei eine Entkleidung mit weiterhin angezogener Unterwäsche auch als völlige Entkleidung dokumentiert worden.

Die Verwahrung in der GESA habe zudem zu lange gedauert mit durchschnittlich 25 Stunden und 18 Minuten bei weiterer Verwahrung und 13 Stunden 59 Minuten bei Freilassung. Die Überstellung zur GESA dauerte ebenfalls zu lange. So waren die Ingewahrsamnahmen vom Freitagmorgen erst 7 Stunden später in der GESA in Harburg angekommen. Auch die Wartezeit auf einen Gerichtstermin sei zu hoch gewesen.

Ebenfalls sei die Möglichkeit der Ausgabe von Matrazen, welche ein neuer Standard waren, nicht an die Gefangenen mitgeteilt worden. In Zukunft wird jedes Polizeikommissariat mit Matrazen ausgestattet.

Vorwürfe

  • Schlafentzug: wurde zurückgewiesen; halbstündliche Lebendkontrollen und minimales Licht in der Nacht seien gesetzlich vorgeschrieben
  • mangelnde Ernährung: zurückgewiesen; es kann aber sein, dass das Essen Leuten nicht schmeckte
  • Durchsuchung nach Gespräch mit Rechtsanwalt: entsprechende Durchsuchungen sind Standardprozedere, da Kontakt nicht überwacht
  • medizinische Versorgung nicht gewährleistet: zurückgewiesen; ein Fall hatte eine Nasenfraktur, bei der regelhaft die Behandlung erst später erfolgt

Außenstelle des Amtsgerichts

Die Justizbehörde hat im Vorwege das Strafjustizgebäude und die Untersuchungshaftanstalt angesehen, welche kapazitär und logistisch für G20 geeignet wäre. Allerdings war die Zufahrt aufgrund der Nähe zum Messegelände nicht praktikabel. Es wurde sich daher nach einem alternativen Standort für das Haft- und Schnellgericht umgesehen. Das Amtsgericht Harburg wurde erwägt, aber dies war auf die Kapazitäten nicht ausgerichtet als Stadtteilgericht. In Folge dessen wurde die Außenstelle des Amtsgerichts im gleichen Komplex wie die GESA eingerichtet. Es wurde aber auf eine strikte Trennung Wert gelegt, da es verfassungsrechtliche Bedenken wegen der Nähe von Exekutive und Judikative gab.

Die Aufnahme für Untersuchungshaft war während der Tage in der JVA Billwerder. In Vorbereitung von G20 gab es einige Verlegungen. Außerdem wurde Hanöversand wieder temporär in Betrieb genommen. Ebenfalls wurde mit anderen Ländern kooperiert.

Das laufende Haftgericht (8 Richter*innen) musste während G20 den normalen Alltag bewältigen und zusätzlich die GESA-Fälle. Da alle verantwortlichen Richter*innen an der Außenstelle waren, wurden auch die normalen Verhandlungen außerhalb des G20-Kontextes dort veranstaltet. Im Vorfeld musste auch viel an Personal eingestellt werden, was nicht ohne Probleme war. Auch die technischen Voraussetzungen mussten geschaffen werden. Es gab 8 Säle, vier Rechtsanwaltsräume und einen großen Raum für Rechtsanwälte zum Kopieren und Faxen.

Vom 29. Juni bis 9. Juli gab es einen Bereitschaftsdienst rund um die Uhr in drei 8 Stunden Schichten mit je 8 Richter*innen. Während der Gipfeltage haben erfahrene Richter*innen die Verhandlungen geführt. Aufgrund der großen Menge waren aber auch viele freiwillige Richter*innen im Einsatz. An den Gipfeltagen gab es 270 Anhörungen.

Schlussbemerkungen

Die wichtigsten Elemente habe ich wiedergegeben. Die Lektüre des Wortprotokolls lohnt sich aber in jedem Fall, wenn man noch viel tiefer in die Details einsteigen möchte. Die habe ich zwar auch protokolliert, aber möchte nicht so lange am Bericht sitzen, wie die Sitzung dauerte. Insbesondere wird am Ende noch einmal der Vorgang mit dem Bus der Falken geschildert und dass es dort an mehreren Stellen zu Kommunikationsfehlern kam.