Einleitung
Über die letzten Jahre habe ich mich auf verschiedenen Ebenen der Universität Hamburg engagiert. Während dieser Zeit ist vieles passiert - gute wie schlechte Dinge. Das politisch für mich Wichtigste war jedoch der Aufstieg von Bernie Sanders. Diese Entwicklung hat mich begeistert und mir gezeigt, dass Politik nicht nur wichtig ist, sondern auch Spaß machen kann. Vor diesem Hintergrund bin ich zum Schluss bekommen, dass auch Deutschland eine progressive Bewegung braucht, die weit über die Parteien hinausgeht. Dies hat zu der folgenden progressiven Agenda für Deutschland geführt.
Mein Hauptfokus war dabei eine positive Vision zu formulieren, die real existierenden Probleme zu adressieren und eine realistische Lösungsperspektive aufzuzeigen.
Weltbild
Die Geschwindigkeit der weltweiten Veränderungen mit weltweiten Auswirkungen hat seit meinem Studienbeginn 2012 drapide zugenommen. Fast wöchentlich passieren wichtige Ereignisse mit weitreichenden Auswirkungen. Die Terroranschläge in Paris, der Aufbau einer Diktatur in der Türkei, der Rechtsruck in Polen, die Brexitentscheidung, die Wahl Donald Trumps zum US-Präsident, der zunehmende Zeitdruck etwas gegen den Klimawandel zu tun, bevor es zu spät ist, stärkere Hurricanes, die steigende Einkommensungleichheit und abnehmende soziale Gerechtigkeit, Kürzungen bei sozialen und kulturellen Einrichtungen und viele weitere Ereignisse lassen leicht den Schluss zu, dass es fast nur noch negative Dinge in der Welt gibt.
Wer sich auf diese Perspektive einlässt und von Endzeitszenarien spricht, verkennt die Chance für positiven transformativen Wandel. Es ist eine Zeit von Umbrüchen. Bestehende Ordnungen zerfallen, als sicher geglaubte Wahrheiten sind überholt und das Neue ist unbekannt und macht Angst. Doch diese Zeit des Umbruchs ist auch eine Chance. In dieser Zeit kann und muss die wirtschaftliche Ordnung neu gedacht werden. Statt sich einzubunkern und auf alte Zeiten zu besinnen, muss sich der Herausforderung gestellt werden und es müssen neue Lösungen entwickelt werden.
Der Blick in die Vergangenheit gibt Hoffnung, dass genau dies gelingen kann. Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war eine ähnliche Zäsur. Trotz dessen wurden in kürzester Zeit enorme Fortschritte erzielt. Das Zeitalter der Kolonien war vorbei. Die Menschheit setzte den ersten Schritt auf den Mond. Europa erwuchs mithilfe des Marshall-Plans innerhalb kürzester Zeit zu enormer wirtschaftlicher Stärke trotz der Trümmer des Zweiten Weltkriegs. Das Zeitalter der Kriege im Kerneuropa war vorbei. Klar gab es auch viele Probleme zu jener Zeit. Der anschließende Kalte Krieg war sicher nicht ideal für die Menschheit, Bürgerrechte wurden vielerorts auch in Demokratien missachtet oder existierten für Teile der Bevölkerung schlichtweg nicht.
Es kann jedoch schlecht argumentiert werden, dass die Zeit vor dem Weltkrieg eine bessere war. Die Produktivitätszuwächse in der Argrarproduktion erlaubten überhaupt eine Verstädterung und beendeten die Zeit von Hungersnöten in Europa. Die Produktivitätszuwächse in der fertigenden Industrie waren die Grundlage für die Wandlung zur Dienstleistungsgesellschaft und ermöglichten mehr Menschen den Zugang zu höherer Bildung.
Kurzum: Trotz konkreter Probleme wurde die Gesamtsituation besser und es gab einen gesamtgesellschaftlichen Fahrstuhleffekt. Allen ging es besser, wenngleich Ungleichheit weiterhin bestand. Dieses positive Zukunftsbild ist Kern dieser Agenda. Es gibt Probleme, aber wir können sie überwinden. Lasst uns aufhören im Trübsaal zu versinken und starten über die Lösungen nachzudenken.
Wirtschaft
Eine Vielzahl progressiver Organisationen, Parteien, Bündnisse uvm. tut sich schwer mit der Rolle der Wirtschaft. Teilweise wird die gesamte Wirtschaft als negativ erachtet. Dies verhindert jedoch die sinnvolle Lösung von den vielen Problemen der Gesellschaft. Die Wirtschaft wird immer Teil der Gesellschaft sein. Daher sollte es darum gehen, wie die Wirtschaft organisiert ist, damit diese tatsächlich die echten Probleme lösen kann und den Wohlstand generiert, der die Gesellschaft als Ganzes ermöglicht.
Das ist im Prinzip vergleichbar mit der Legalisierung von Marihuana. Wenn es verboten ist, dann existiert es trotzdem. Aber andere - in dem Fall Drogenbarone, organisierte Kriminalität - verdienen daran und gestalten den Bereich. Im Falle einer Legalisierung kann die Nutzung reguliert werden und damit eine verantwortliche Nutzung ermöglicht werden.
Wenn progressive Positionen also kein konstruktives Wirtschaftsbild haben, dann verbuchen andere (bspw. CDU, FDP) diese Punkte für sich. Die diffuse Forderung den Kapitalismus zu überwinden, ohne zu zeigen, dass das neue Modell tatsächlich besser sein kann und funktioniert, ist ein Garant dafür die Gestaltungsmacht aus der Hand zu geben.
Diese Gedanken formen das Wirtschaftsbild der Agenda. Wirtschaft ist an sich nichts Schlimmes. Dennoch gibt es aktuell reale Probleme mit der Organisation der Wirtschaft. In den letzten Jahren gab es unglaublich große Produktivitätszuwächse, was sich vereinfacht gesprochen an den Profiten von Unternehmen ablesen lässt, die aber nicht bei allen angekommen sind. Wirtschaft dient dann der Gesellschaft und ist hilfreich, wenn Produktivitätszuwächse (z.B. höhere Profite) zu höheren Gehältern aller Angestellten und Mitarbeiter_innen und/oder niedrigeren Arbeitszeiten führen. Denn dann werden die Gewinne aus Produktivität umverteilt an alle Beteiligten und dann ist es auch kein Problem, wenn die CEOs viel verdienen. Die höheren Gehälter und niedrigere Arbeitszeit führen zu höherer Zufriedenheit der Mitarbeiter_innen, was sich wiederum in einer höheren Produktivität niederschlägt. Dagegen sind Stress und Burnoutgefahr Garanten für langfristig abnehmende Produktivität und Verluste.
Außerdem sollte Wirtschaft sich daran machen, bezahlbare Lösungen zu den tatsächlichen Problemen der Gesellschaft zu finden. Dafür sind einerseits Kartelle und Monopole zu unterbinden und andererseits ist es notwendig, dass vor diesen Kriterien schädliche Geschäftsideen keinen Erfolg am Markt haben und auf keinen Fall vom Steuerzahler subventioniert werden. Wenn sich ein Geschäftsmodell nur rentiert, indem den Mitarbeiter_innen Niedriglöhne gezahlt werden, dann scheint es keine Probleme sinnvoll anzugehen und es schafft auch kein Wohlstand. Es beutet lediglich aus, erzielt auch keine Produktivitätszuwächse und verteilt maximal Geld nach oben. Solche Firmen sollten auch pleite gehen können, ohne dass auf Zwang versucht wird, diese mit Steuermitteln künstlich am Leben zu halten.
Denn derartige Subventionierung von problematischen Geschäftsmodellen, auch wenn sie im Einzelfall Jobs sichert, schafft Fehlanreize. Es ist für angehende CEOs ja einfacher einfach eine bestehende Idee abzuwandeln, zu hypen, schnell auf Pump Mitarbeiter_innen einzustellen und dann die Firma vom Staat durchfüttern zu lassen, als wirklich eine innovative Idee zu entwickeln. Nur wenn glasklar ist, dass schlechte Ideen am Markt keine Chance und auch keine Aussicht auf staatliche Förderung haben, kann Innovation in der Breite erreicht werden.
Außerdem müssen Bedingungen geschaffen werden, in denen die Bürger_innen sich umfassend über Geschäftsmodelle informieren können, sodass derartige Blasen auffliegen und weniger Menschen darauf hineinfallen. Dafür müssen Standards zur Information geschaffen werden. Diese werden von alleine dafür sorgen, dass gute Firmen, die echte Probleme lösen und g